Montag, 9. Juli 2018

Hitzeschutz: Automatisierung von Rollläden und KWL

Endlich mal wieder Arbeit die (mir) Spaß macht - das Home wird smart 😊 
Etwas notgedrungen, weil sich die sommerlichen Temperaturen ohne Automatisierung kaum in den Griff bekommen ließen. 

Als wir vor ein einigen Wochen zum ersten Mal ein paar Tage mit um die 30°C Außentemperatur hatten, wurde es auch im Haus unangenehm warm. Wir hatten drinnen bis zu 26°C, wobei es auch nachts nicht kühler wurde. Das Haus, vor allem anscheinend die Böden bzw. der Estrich, hatten sich tagsüber zu sehr aufgeheizt um nachts schnell wieder runter zu kühlen. 
Wir waren schon fast etwas enttäuscht, weil wir uns von der hochwertigen Bauweise mit Holzfaserdämmplatten besseren Hitzeschutz erhofft hatten. An den Außenwänden haben wir 6 cm STEICOtherm, auf dem Dach 8 cm. Da es unter dem Dach kühler war als im EG, wurde uns recht schnell klar, dass die Fenster schuld sind. Durch die Fenster kommt Wärme rein, aber nicht wieder raus - Treibhauseffekt. 
Der anfängliche Versuch nachts rein über die Lüftungsanlage kühle Luft ins Haus zu holen, hat das Ganze nicht besser gemacht. Die Anlage sorgt zwar für ausreichend Sauerstoff, aber der Luftaustausch ist viel zu gering um für eine Abkühlung der Hausmasse zu sorgen. 
Also mussten Lösungen her:
  1. Nachts über offene Fenster lüften, statt nur über die Lüftungsanlage.
  2. Rollladen zur Verschattung automatisieren. Wärme die nicht rein kommt, muss man nicht mühsam wieder raus bekommen.

Server und Visualisierung
Als Automatisierungs-Server hatte ich ja in der Mietwohnung schon FHEM verwendet, mit TabletUI als Visualisierung. Inzwischen gibt es einige Alternativen, die eine bessere Visualisierung bieten sollen. Was die unterstützten Geräte-Typen und Protokolle angeht, gilt FHEM immer noch als ungeschlagen. Ich find auch das TabletUI ganz nett. Bei Gelegenheit will ich mir die Alternativen auch mal anschauen. Interessant scheint hier z.B. eine Kombination aus OpenHAB als Logik-Server und CometVisu zur Visualisierung. Interessant deshalb, weil beide Projekte auf GitHub verfügbar und HTML-basiert sind, also OpenSource und plattformunabhängig. 
Auf die Schnelle hab ich erst mal mein bestehendes FHEM-System erweitert. Da kenne ich mich ein wenig aus und muss nicht alles neu einrichten. Der Zugriff auf den KNX-Bus, ob lesend oder schreibend, ist über die eh vorhandene IP-Schnittstelle ebenfalls problemlos möglich. 
Rein über KNX ginge natürlich auch. Aber man bräuchte Zeitschaltuhren, Dämmerungssensoren, Sonnensensoren, Logik-Server, KNX-Modul für die KWL, etc... das kostet alles sehr viel Geld - hier kann KNX wirklich sehr teuer werden - und würde (denke ich) dennoch nicht den Funktionsumfang von kostenlosen Alternativen wie FHEM erreichen. 


Rollläden
Die Rollläden hab ich so programmiert, dass sie tagsüber der Sonne folgen, um vor Sonneneinstrahlung und Überhitzung zu schützen. Ohne Sonnen-Sensoren, sondern auf Basis von Jahreszeit, Uhrzeit, Bewölkung und den drinnen und draußen gemessenen Temperaturen. Das hat gegenüber Sonnen-Sensoren sogar den Vorteil, dass die Rollos bei wechselnder Bewölkung nicht ständig hoch und runter fahren. Nachteil ist, dass es auch an einem bedeckten Tag passieren kann, dass die Rollos geschlossen sind, wenn der Wetterdienst sonniges Wetter gemeldet hatte. Dann kann man sie aber ja bei Bedarf immer noch manuell öffnen. 
Wenn es draußen oder drinnen eher kühl ist, braucht's natürlich keine Beschattung, dann bleiben die Rollos oben. 
Das funktioniert bisher sehr gut. Liegt die Automatik doch mal daneben, kann man ja immer noch manuell eingreifen und die Regeln optimieren. 
  • Der Tag startet damit, dass bei Sonnenaufgang alle Rollladen hoch fahren - außer Richtung Nord- und Südosten, falls die Sonne scheint und hohe Temperaturen zu erwarten sind.   
  • Bei Sonnenschein und Wärme folgen die Rollos dann der Sonne rund um's Haus herum, fahren also runter wenn die Sonne um's Eck kommt und fahren hoch, wenn sie hinter der nächsten Hausecke wieder verschwindet 
  • Bei Sonnenuntergang fahren alle Rollladen runter. Wenn es drinnen recht warm ist, fahren einzelne Rolllos nur bis auf Schlitzstellung runter, damit man nachts durch offene Fenster lüften kann.  
Die Uhrzeiten von Morgendämmerung, Sonnenaufgang, Sonnenuntergang und Abenddämmerung für den eigenen Wohnort sind in FHEM über SUNRISE_EL abrufbar. Der vertikale und horizontale Sonnenstand über das Modul Twilight. Die Prognose zahlreicher Wetterdaten über DWD_OpenData. Diese (kostenlosen) Module erlauben in Kombination eine  mindestens so gute (ich vermute sogar bessere) Automation als reine KNX-Lösungen für mittlere vierstellige Beträge. 

Lüftungsanlage
Wie oben bereits geschildert, bringt die Lüftungsanlage alleine keine Kühlung. Trotzdem kann sie etwas unterstützend mitwirken. Die Ansteuerung von FHEM aus funktioniert über Modbus TCP/IP. Auf Grund der zahlreichen Schnittstellen kann ich Helios übrigens sehr empfehlen! Die (meiner Meinung nach nicht ganz so empfehlenswerte/smarte) Automatik von Helios umgehe ich durch eine eigene Logik. 
Ich hab mir zunächst 4 Leistungs-Stufen von 1 bis 4 definiert:
  • 1: Feuchteschutz mit 0,1-fachem Luftwechsel pro Stunde
  • 2: Reduzierte Lüftung 0,2-fachem Luftwechsel
  • 3: Nennlüftung mit 0,4-fachem Luftwechsel
  • 4: Intensivlüftung mit 0,6-fachem Luftwechsel
Stufe 2, also reduzierte Lüftung, hab ich als Standard definiert. Das spart Strom, macht die Anlage kaum hörbar und im Winter wird dadurch hoffentlich etwas mehr Feuchtigkeit im Haus gehalten. Da wir nur zu zweit sind, ist die reduzierte Lüftung bisher auch gut ausreichend. Wir hatten bisher noch nie das Bedürfnis wegen stickiger Luft die Fenster aufzumachen. 

Stufe 1 wird aktiviert, wenn es draußen wärmer ist als drinnen. Damit will ich verhindern, dass zu viel warme Luft ins Haus geblasen wird. Der Wärmetauscher der Anlage kühlt zwar die Zuluft etwas runter, sie ist dann aber trotzdem noch etwas wärmer als die vorhandene Raumluft. 

Bei unter 0°C Außentemperatur gehe ich ebenfalls auf Stufe 1, um zu verhindern, dass zu viel kalte und trockene Luft ins Haus kommt.  

Stufe 3 wird aktiv, wenn es drinnen "zu warm" ist und draußen deutlich kühler als drinnen. Die Idee ist, kühlere Außenluft mit hoher Leistung ins Haus zu holen, um  die Temperatur in einen angenehmen Bereich zu drücken. Bei gleichzeitig aktiviertem Bypass natürlich, sonst bringt es nix. Aber  wie schon oben geschrieben: Wenn sich die gesamte Masse des Hauses am Tag schon aufgeheizt hatte, haben offene Fenster eine deutlich bessere Wirkung. 

Stufe 4 nutzen wir nur zum "Stoßlüften", falls beim Kochen mal mehr Gerüche als gewöhnlich entstanden sind. 


Ergebnis
Bisher helfen diese Automatismen sehr gut das Haus angenehm kühl zu halten. Bei einer Hitzewelle müssen wir nachts über offene Fenster runter kühlen, sonst wird es natürlich trotzdem, wie in jedem anderen Haus, Tag für Tag etwas wärmer. An einem sonnigen, 30°C heißen, 16 Stunden langen Sommertag steigt die Raumtemperatur im Laufe des Tages (nur) um 1,5 bis 2°C an. Ein Teil davon könnte von unserem hohen Fenster im Treppenhaus kommen. Für die 3m Höhe gab es leider keinen Rollo. Es liegt zum Glück auf der Nordwest-Seite, so dass die Sonne erst ab Nachmittag rein scheint.  
Seit Umsetzung der Automatisierung ist die Innentemperatur nicht mehr in  einen unangenehmen Bereich gestiegen. Selbst während der extremen Hitzewelle 2018 war es angenehm kühl im Haus. Allerdings hatten wir nachts einige Fenster komplett offen und dadurch das Haus über Nacht immer wieder stark runter gekühlt. 
Unsere Erwartungen an den Hitzeschutz der Außenwände und vom Dach wurden jedenfalls voll erfüllt! 

Hier der von der Lüftungsanlage gemessene Temperaturverlauf der letzten 9 Tage (mit zwei Unterbrechungen wegen Bastelarbeiten). Grün die Außentemperatur, rot die Innentemperatur. In hellblau sieht man auch wie die Lüftungsanlage je nach Temperatur hoch und runter regelt. 




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