Samstag, 12. August 2017

Heimautomatisierung / SmartHome / KNX

Der Neubau eines Informatikers muss natürlich unbedingt vernetzt und ein bisschen "smart" werden. Während der schleppend laufenden Angebots-Phase hatte ich genügend Zeit mich zu belesen und einen "Prototypen" vorzubereiten.
Diese Zeit sollte man sich auch nehmen. Die Planung einer sinnvollen und zukunftsfähigen Heimautomatisierung kostet entweder viel Geld bei einem darauf spezialisierten Fachbetrieb - oder eben viel Zeit für Einarbeitung und Planung in Eigenleistung. Bei mir eben letzteres. Insofern ist es gar nicht so verkehrt, dass der Bau ein paar Monate später los geht als geplant 😏

Vorwort - Was ist eigentlich ein "Smart Home"?

Der Begriff "Smart Home" wird oft damit verwechselt, dass man alles von unterwegs über tausend verschiedene Apps steuern kann. Das geht zwar auch, ist aber für mich eher eine Spielerei als "smart". 
Was bedeutet also Smart Home? Die wichtigsten Funktionen, ohne großartige Spielereien, aus meiner Sicht: 
  • automatische Beschattung (Rollladensteuerung) in Abhängigkeit von Tageszeit, Innen- und Außen-Temperatur, Sonnenstand, Bewölkung, ... (weitere Infos)
  • Steuerung der Lüftungsanlage (weitere Infos)
  • automatisch der Tageszeit (und evtl. Anwesenheit) angepasste Beleuchtung
  • automatisch regelnde Heizung (im Neubau wegen der sehr trägen Fußbodenheizung und guter Dämmung nicht unbedingt notwendig, moderne Heizungen regeln sich bei richtiger Auslegung und Einstellung weitgehend selbst)
  • automatisches abschalten nicht benötigter Stromkreise
  • Einbeziehung der Photovoltaikanlage und deren aktueller Produktion
  • Einbeziehung von Umweltfaktoren und persönlichem Kalender


Meine Anforderungen an ein Heimautomatisierungs-System sind: 
  • Unabhängigkeit von
    • Hersteller(n)
    • Technologie/Standard/Protokoll
    • bestimmten Produkten
    • einer Cloud
  • Kompatibilität aller Geräte/Installationen im Haus
  • Zukunftsfähigkeit
  • Individualisierbarkeit, gerne auch durch basteln an Hard- und Software  - aber nicht zu viel, es soll ja stabil und bedienbar bleiben
  • Möglichst niedrige Kosten
  • Bevorzugt Open Source
Also zusammengefasst: Keine proprietäre Insellösung eines einzelnen Herstellers. Inzwischen gibt es ja jedes Elektrogerät als "smarte" Ausführung mit App-Anbindung. Man kann den Toaster per App starten und per App aufzeichnen wie oft und lange man Zähne putzt. Unzählige Apps zu bedienen, die sich untereinander nicht kennen, hat aber für mich nichts mit Smart Home zu tun. Erst wenn verschiedene Geräte verschiedener Hersteller miteinander kommunizieren können, ergibt sich ein wirklicher Nutzen. Das bedeutet eine Kommunikation über standardisierte Protokolle, bei denen man davon ausgehen kann, dass sie länger als ein paar Jahre Bestand haben. Die Produkte eines einzelnen Herstellers, egal wie teuer, werden niemals alles können und werden ziemlich sicher in 20 Jahren nicht mehr verfügbar/kompatibel sein. Vielleicht wird auch der Hersteller gar nicht mehr existieren. Für eine günstige, jederzeit austauschbare Funk-Lösung in der Mietwohnung ist das ok. Für eine feste Installation im Haus ungünstig. 

Der am meisten verbreitete (echte) Standard für Gebäudeautomation ist immer noch KNX - im Privatbereich aber fast nur von Technik-Freaks genutzt. Der typische Bauherr steckt sein Geld anscheinend lieber in Autos oder Küchen, anstatt ins elektrische Grundgerüst des Hauses. Ich besitze keine Glaskugel, aber kann mir gut vorstellen, dass z.B. Amazon und Google in den nächsten Jahren mit günstigen Preisen und einfacher Bedienbarkeit den breiten Massenmarkt erschließen. Nicht nur bei Technik-Freaks, sondern in fast jedem Haushalt. Egal ob Neubau oder Bestand. Egal ob im Eigentum oder in der Mietwohnung. Amazon und Google sind smart genug um zu wissen welche Möglichkeiten eine umfassende Vernetzung bedeutet - nicht zuletzt für sie selbst. Amazon ist ja schon auf einem "guten" Weg und bietet über "Alexa" Zugriff auf immer mehr ganz unterschiedliche Produkte. Ob man so viel Vernetzung und Wissen in den Händen eines einzelnen Unternehmens gut findet, ist eine andere Frage. Die Produkte sind gut und günstig. Aber man erkauft sich das als Kunde halt damit, dem Anbieter und dessen Partnern alle möglichen privaten Daten zu übermitteln. 
Ich möchte meine Lampen jedenfalls nicht über einen Server in China (Xiaomi und Sonoff sind ebenfalls stark im Kommen) oder USA schalten. Um Ausfälle zu vermeiden, möchte ich für die wichtigsten Grundfunktionen am liebsten noch nicht mal über einen eigenen Server bei mir im Haus gehen müssen.   
KNX funktioniert dezentral, ganz ohne Server. Über 400 Hersteller bieten Produkte für KNX an (hab ich gelesen, nicht gezählt). Im gewerblichen und öffentlichen Bereich wird auf KNX gesetzt. Daher kann man im Moment zuversichtlich darauf hoffen, dass KNX auch in 30 Jahren zumindest noch von ein paar Herstellern unterstützt wird. 

So weit meine persönliche Meinung. Die Zukunft wird aber nicht von ein paar wenigen Nerds wie mir bestimmt, sondern von dem was die Masse kauft 😉 Daher kann natürlich alles ganz anders kommen. 


Implementierung eines Prototypen in der Mietwohnung:
Meine Wahl fiel recht schnell auf den kostenlosen Heimautomatisierungs-Server FHEM, installiert auf einem Raspberry Pi 3
Edit 22.1.2019: Inzwischen bin ich auf einen Odroid C2 umgestiegen, der ist leistungsstärker (für FHEM nicht relevant) und besitzt einen eMMC-Slot. Der Raspberry kann nur SD-Karten lesen und da kommt es leider recht häufig zu Ausfällen der Karten, weil die nicht für ständige Schreibzugriffe ausgelegt sind.  
FHEM unterstützt eine Vielzahl von Protokollen und ist über Module quasi beliebig erweiterbar - was die technikaffine Nutzer- und Entwicklerbasis auch fleißig macht. 
Gegenüber reinem KNX sind die niedrigen Kosten und die Flexibilität große Vorteile. Die Software ist kostenlos. Sensoren sind z.T. schon für ca. 1€ zu haben. Aber auch KNX-Komponenten lassen sich in FHEM einbinden - die ETS-Software wird dann zur erstmaligen Konfiguration allerdings trotzdem benötigt. Ich versuche mit der "Lite"-Version auszukommen, die mit 140€ ETS eCampus Rabatt auf 91€ kommt. Man kann also KNX einbinden, ist aber gleichzeitig kompatibel zu vielen anderen Lösungen inkl. dem was von Amazon und Google noch so kommen mag. Mein Plan ist es mit den Kern-Funktionen möglichst beim bewährten KNX zu bleiben. Und für alles was Spielerei ist offen zu sein. 
Als Benutzeroberfläche/Visualisierung verwende ich das FHEM Tablet UI.  

Folgenden bunten Mix an Komponenten hab ich bisher (in der Mietwohnung) eingebunden: 
D.h. im Moment können wir:
  • Licht, Steckdosen und Multimedia steuern
  • Temperatur aufzeichnen
  • Heizung steuern
über:
  • automatische Aktionen und Szenen
  • PC/Handy/Tablet
  • Alexa Sprachsteuerung mit Custom Skills
Das geht außerdem noch: 
  • Einbindung von 
    • Terminen aus dem Google-Kalender, z.B. Müllkalender
    • Spritpreisen
    • Fahrtzeiten zu häufig besuchten Orten
    • Sonnenaufgang/Untergang/Dämmerung
    • Wettervorhersagen
    • ... gibt nichts was es nicht gibt ...
Im Haus sollen noch dazu kommen: 
    • KNX-Rolladenaktoren
    • KNX-Heizaktoren
    • die kontrollierte Wohnraumbelüftung Helios KWL EC 300 W ET
    • Hintergrundbeleuchtung mit 24V-LED-Stripes/Spots, angesteuert über den KNX-LED-Controller "MDT AKD-0424R.02" mit "Tunable White" und dynamischer Tageslichtanpassung
    • Photovoltaikanlage

Wie funktioniert das alles?

Für einen ersten Einstieg in das Thema Hausautomation ist das Buch Heimautomation mit KNX, DALI, 1-Wire und Co unbedingt zu empfehlen. Leider ist es auch gebraucht noch recht teuer, aber die 1.267 Seiten sind den Preis auf jeden Fall wert. Hört sich nach viel Stoff an, ist es erst mal auch, aber es verschafft tatsächlich nur einen (guten) ersten Überblick. Möchte man tiefer in ein Thema einsteigen, hilft wie immer das Internet. Die meiste Inspiration zu FHEM hab ich im FHEM-Forum und z.B. in diesen Blogs gefunden: 
Es gibt zwar für fast alles Tutorials, aber in folgenden Bereichen wären Grund-Kenntnisse von Vorteil: 
  • Linux
  • beliebige Programmiersprache
  • Netzwerktechnik
  • Elektronik + Löten, falls man selbst Sensoren etc. basteln möchte
Am schwierigsten fand ich die Einrichtung der Alexa Custom Skills. Funktioniert auch noch nicht so gut, dass es ehefrauentauglich wäre, Alexa ist manchmal etwas zickig und wird erst mal nicht die beste Freundin meiner Frau 😉  Das war aber eigentlich auch wieder nur eine Spielerei. Ich drück im Alltag lieber einen Knopf als mit Alexa zu diskutieren 😄

Wie viel kostet ein Smart Home?

Das lässt sich nicht pauschal beantworten. Ich hab schon von Mehrkosten über 155.000€ ohne Verkabelung gelesen - was sicher eher nicht gerechtfertigt ist, aber es gibt immer irgendwo Leute für die der Preis keine Rolle spielt. Meist geht man von Mehrkosten um die 10.000€ aus. Bei mir werden es aufgrund der Eigenleistung im Moment geschätzte 2.000€ Aufpreis gegenüber einer konventionellen Elektroinstallation + natürlich viele Stunden Freizeit. Ist halt ein Hobby. 



Hier noch ein paar Screenshots vom aktuellen Stand meines Tablet UI (aktualisiert am 22.1.2021).

Dashboard:


Licht schalten: 

Rollläden: 

Temperaturverläufe: 
Heizung:





5 Kommentare:

  1. Hallo Stefan,

    ein toller Beitrag hier.

    Ich bin selbst software Entwicklerin und mich interessiert das Thema Hausautomation sehr...

    Wir werden bald bauen und ich überlege mir was am günstigsten für uns wäre.

    Du meinst ca 2000 E Aufpreis musst ihr noch bezahlen, ist das nur für die Verkabelung oder kommen noch paar Komponente dazu?

    Und du meintest wenn mann programmieren kann hilft das auch ,an welche Stelle hilft das?

    Grüße

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    1. etwas scheint nicht richtig zu funktionnieren...

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    2. Hallo,

      ehrlich gesagt müsste ich das letztendlich nochmal genauer zusammen rechnen.

      Die Kabel sollten vernachlässigbar sein. Das Buskabel hat ca. 100€ gekostet. NYM haben wir nicht mehr verlegt als bei einer konventionellen Installation. Allerdings natürlich viele 5-adrige, statt 3-adrige. Der Aufpreis dafür ist aber bestimmt nicht riesig.
      Im Verteiler sind die größten Posten:
      - ABB-JRA/S8.230.5.1 Jalousie-/Rollladenaktor mit 8 Kanälen (ca. 250€)
      - ABB-JRA/S4.230.5.1 Jalousie-/Rollladenaktor mit 4 Kanälen (ca. 170€)
      - MDT AKK-0816.03 Schaltaktor mit 8 Kanälen (ca. 160€)
      - MDT AKK-1616.03 Schaltaktor mit 16 Kanälen (ca. 240€)
      - MDT AMS-1216.02 Schaltaktor mit 12 Kanälen und Strommessung (ca. 280€)
      - 3 x MDT AKD-0424R.02 LED Controller 24 V mit je 4 Kanälen (ca. 3 x 165€)
      - 2 x MDT AKH-0400.02 Heizungsaktor mit je 4 Kanälen (ca. 2 x 115€)
      Wären in Summe ca. 1.800€.
      Nun könnte man noch den Aufpreis für den größeren Verteilerschrank rechnen, den hab ich aber sehr günstig bekommen. Die Glastaster sind natürlich auch teurer als herkömmliche Schalter. Dafür ersetzt der Glastaster allerdings bis zu 13 konventionelle Schalter.

      Lassen wir es in Summe 3.000€ für KNX-Komponenten sein. D.h. aber ja nicht, dass es ohne KNX 3.000€ günstiger wäre. Einige Funktionen wären konventionell einfach nicht möglich. Andere wiederum wäre konventionell genauso teuer oder gar teurer.

      Viele Grüße

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    3. Zu deiner Frage nach Programmier-Skills:
      Vieles lässt sich über's UI konfigurieren, sei's in FHEM oder in der ETS. Aber der Raspberry Pi muss aufgesetzt werden, FHEM idealerweise in einem Docker-Container laufen, knxd konfiguriert, ein paar Perl-Module hab ich selbst geschrieben oder bestehende verändert, für's TabletUI braucht man zumindest HTML und CSS, ...
      Somit ist meine Realisierung definitiv nix für einen Laien. Für dich als Software-Entwicklerin mit etwas Einarbeitung aber sicher kein Problem. Gibt ja auch für das meiste recht gute HowTos.

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